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Georges Lentz
Lentz: neues Werk, für Orchester und Elektronik
UE36481
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)
Format: 297 x 420 mm
Seiten: 40
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Beschreibung
Jerusalem (after Blake) entstand unter dem Eindruck des dichterischen und graphischen Werks von William Blake (1757–1827), jenes genialen Visionärs der englischen Romantik, der von seiner Zeit so völlig unverstanden blieb und erst im 20. Jahrhundert von bedeutenden Dichtern wie W. B. Yeats entdeckt wurde – heute gehört Blake selbstverständlich zum Kanon der großen englischen Literatur.
Schon seit Jahren lese ich immer wieder in seinen sogenannten „prophetischen Büchern”. Es sind schwierige Werke, welche vor Visionen in Wort und Bild geradezu übersprudeln. Blake illustrierte seine dichterischen Werke selbst anhand einer eigens erfundenen Drucktechnik. Seine graphische Bilderwelt, mit ihrer Vielfalt an Feuergarben, seltsam düsteren Engelscharen, Sternenhimmel, in sich verschlungenen Körpern, Himmelstoren, Fratzengesichtern, Kathedralen, fahlen Landschaften, Monstern, wallenden Gewändern und Haarmähnen und so weiter, ist ihrer Zeit weit voraus oder jedenfalls schwer in ihr zu verankern. Es gibt Details, die geradezu an den frühen Picasso erinnern, anderswo denkt man an Hieronymus Bosch, Francisco de Goya, El Greco, gar an Jugendstil… Die geradezu eruptive Sprachgewalt von Blakes Dichtung, mit ihren wortwörtlichen und sprachlichen Abgründen, steht diesem in keiner Weise nach. Jerusalem.
The Emanation of the Giant Albion, Blakes letztes, bedeutendstes und längstes Buch, ist eine Art Höhepunkt sowohl in seinem literarischen als auch in seinem graphischen Schaffen und ist jenes Werk, das mich nun schon seit etlichen Jahren beschäftigt.
An Jerusalem, dem letzten seiner „prophetischen Bücher”, schrieb und zeichnete William Blake von 1804 bis 1820. Es trägt den Untertitel The Emanation of the Giant Albion (die Ausstrahlung/Ausströmung des gigantischen Albion). Das handgeschriebene Versepos auf hundert handgezeichneten Tafeln ist zugleich Blakes umfangreichstes Werk. Blake ersinnt in Jerusalem eine religionsübergreifende Mythologie und zeichnet eine düstere Vision vom Untergang des Abendlandes – und zwar in einer höchst vieldeutigen Symbolsprache: Jerusalem steht zugleich für eine Frau und für eine Stadt, Albion ist ein Mann, ein Land (England) und ein Sinnbild für die westliche Welt beziehungsweise für die Menschheit im Ganzen. Einen Eindruck des Werks kann man online über die Website des William Blake Archive gewinnen (www.blakearchive.org), im Buchhandel sind zahlreiche Ausgaben dieses ungewöhnlichen Klassikers der englischen Literatur erhältlich.
Man könnte dies alles natürlich als zeitferne Spinnerei abtun, und wenn man nicht über die Ebene des Wortwörtlichen hinausschaut, ist es das auch wohl. Dennoch scheint mir nichts ferner vom Kern der Aussage. Blake schreibt vom Fall des Menschen, vom Ende der Zeiten, von der Apokalypse. Wie steht es mit unserer Zeit? Wenn ein Passagierflugzeug mit voller Absicht schnurstracks in einen Wolkenkratzer rast, wenn unschuldige Menschen vor laufender Kamera enthauptet werden, wenn wir trotz drohender ökologischer Katastrophe einfach weiter munter auf den Abgrund zusteuern – dann finde ich, dass man durchaus behaupten könnte, dass auch wir in apokalyptischen Zeiten leben. Jerusalem ist für Blake zweierlei: sowohl die Himmelsstadt, das Endziel, als auch unsere eigene irdische Welt. In letzterem Wortsinne täten wir gut, dem Ruf des Dichters Gehör zu schenken: „Awake! Awake Jerusalem!”
Den Schluss des Werks widme ich den Opfern einer anderen Flugzeugkatastrophe – jener Maschine MH370, die im März 2014 mit 239 Personen an Bord wie vom Erdboden verschwunden ist. Als die Menschen in den Türmen New Yorks ihre letzten panischen Handyanrufe machten, hörte die Welt die verzweifelt menschliche Seite der Apokalypse. Von den Opfern der MH370 gab es keine Handyanrufe. Es wäre schön, die Töne am Ende des Werks als einen ganz kleinen Nachgesang auf jene Verschollenen verstanden zu wissen.
Georges Lentz
Aus dem Programmheft der Philharmonie Luxembourg, 16.01.2015.
Mehr Informationen
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)
Format: 297 x 420 mm
Seiten: 40