

Kurt Weill
Konzert
Kurz-Instrumentierung: 2 1 2 2 - 2 1 0 0 - Pk, Schl(3), Kb(4)
Dauer: 33'
Herausgeber: Andreas Eichhorn
Solisten:
Violine
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte (+Picc)
Oboe
1. Klarinette in B (+Kl(A))
2. Klarinette in B (+Kl(A))
1. Fagott
2. Fagott
1. Horn in F
2. Horn in F
Trompete in C
Pauken
Schlagzeug(3)
Kontrabass(4)
Weill - Konzert für Violine und Blasorchester
Gedruckt/Digital
Übersetzung, Abdrucke und mehr

Kurt Weill
Weill: Konzert für Violine und Blasorchester - op. 12Instrumentierung: für Violine und Blasorchester
Ausgabeart: Studienpartitur

Kurt Weill
Weill: Konzert (nach KWE) - op. 12Instrumentierung: für Violine und Blasorchester
Ausgabeart: Dirigierpartitur (Sonderanfertigung)

Kurt Weill
Weill: Konzert (nach KWE) für Violine und Klavier - op. 12Instrumentierung: für Violine und Klavier
Ausgabeart: Klavierauszug
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Kurt Weill, dessen Schaffen sich vor allem im Bereich des Musiktheaters entfaltete, wo er sich als ungemein produktiver und wegweisender Neuerer erwies, hinterließ auch eine kleinere Anzahl von Instrumentalwerken für den Konzertsaal. Fast all diese Werke stammen aus den frühen Jahren, als er kurzzeitig an der Berliner Musikhochschule Schüler Engelbert Humperdincks war (1918/1919) und dann in die Meisterklasse von Ferruccio Busoni an der Preußischen Akademie der Künste aufgenommen wurde, wo er von 1921 bis 1923 studierte. Hier entstanden die ersten ausgereiften Kompositionen, etwa das Streichquartett op. 8, mit dem Busoni den noch jungen Schüler an die Universal Edition empfahl, die ihn bald darauf unter Vertrag nahm.
Das Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 entstand im Frühjahr 1924. Mit der Konzeption des Werkes hatte Weill bereits im Februar begonnen, doch eine längere Italienreise unterbrach die Arbeiten. Anfang April – zurück in Berlin – komponierte Weill dann relativ zügig, kam allerdings in der zweiten Maihälfte etwas ins Stocken, wie aus einem Brief an seine Schwester hervorgeht: „Ich war sehr fleißig und habe in einem Zuge zwei Sätze eines Violinkonzertes vollendet. Aber in den letzten Tagen war es zu heiß, um einen Gedanken bis ans Ende zu verfolgen.” Ende Juni meldete Weill seinem Verleger dann den Abschluss der Komposition. Ungestört hatte Weill allerdings während des gesamten Zeitraums nicht komponieren können, denn fast täglich regelte er Angelegenheiten für den mittlerweile schwer erkrankten Busoni. Ob das Konzert bei diesen Besuchen zur Sprache kam, ist nicht überliefert; Weill war jedoch bestürzt über den sich drastisch verschlechternden Gesundheitszustand des verehrten Lehrers: „Busoni ist todkrank und wir wissen alle nicht, wo uns der Kopf steht. Selbst zu leiden wäre nicht so schlimm als einen solchen Menschen so entsetzlich leiden zu sehen. Wenn ich nicht bei ihm bin, muss ich mich in die Arbeit stürzen, um den Anblick etwas zu vergessen.” So ist es denkbar, dass die verhaltenere Stimmung des Kopfsatzes (mit den verschiedentlichen „Dies irae”-Anspielungen, T. 47ff.) diese Erfahrungen widerspiegelt. Busoni starb am 27. Juli 1924.
Bei der Suche nach einem Solisten für die Premiere konzentrierte Weill sich zunächst auf den ungarischen Geiger Josef Szigeti, dem er auch die Widmung antrug. Den zur Ansicht mitgeschickten Klavierauszug hatte Weill selbst erstellt. Szigeti zeigte sich begeistert, konnte allerdings wegen diverser Verpflichtungen eine Premiere in absehbarer Zeit nicht zusichern und stellte es Weill daher anheim, einen anderen Solisten zu wählen. Kontakte zur französischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik führten schließlich zur Uraufführung des Konzerts am 11. Juni 1925 in Paris. Im Rahmen der dortigen „Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels modernes” – jene Kunstgewerbeausstellung, die den Begriff der „Art deco” hervorbrachte – führte es der Geiger Marcel Darrieux unter Leitung des englischen Dirigenten Walther Straram auf (Darrieux hatte 1923 das 1. Violinkonzert von Prokofjew uraufgeführt). Im Oktober 1925 kam es zur ersten deutschen Aufführung des Konzerts in Dessau, Stefan Frenkel übernahm den Solopart und spielte das Konzert in den folgenden Jahren mehr als ein Dutzend mal u. a. in Berlin, London, Warschau und Zürich. 1929 leitete Hermann Scherchen eine Rundfunkübertragung des Konzerts in Königsberg, und 1930 dirigierte Fritz Reiner die amerikanische Erstaufführung in Cincinnati.
Besetzt mit doppelten Flöten, Klarinetten, Fagotten und Hörnern sowie jeweils einer Oboe und Trompete, dazu Schlagwerk und vier Kontrabässe, besteht das Konzert aus drei Sätzen. Noch während der Arbeiten an dem Werk schrieb Weill dem Verlag: „Das Stück ist angeregt durch den – bisher noch nie ausgeführten – Gedanken, die konzertante einzelne Violine einmal einem Bläserchor gegenüberzustellen.” Zu diesem Zeitpunkt hatte Weill Strawinskys Konzert für Klavier und Blasorchester (ebenfalls mit Pauken und Kontrabässen) nicht kennen können, doch schätzte er dessen Geschichte vom Soldaten, die er im Sommer 1923 in Frankfurt gehört hatte. Der aus drei Charakterstücken bestehende Mittelsatz könnte durch Mahlers Symphonie Nr. 7 angeregt worden sein. Peter Bing, ein mit Weill befreundeter Dirigent, bezeichnete hierbei das Notturno als „ein wahres ,Nachtstück‘ im Hoffmannschen Sinne”, in welchem das Xylofon eine wichtige Rolle spielt, während in der Cadenza die Trompete und in der Serenata neben der Violine auch Oboe und Flöte solistisch hervortreten. Als Kontrast zum ruhigeren Kopfsatz gab Weill dem dritten Satz den Charakter einer wirbelnden Tarantella.
Im Dezember 1925 hatte die Universal Edition Weills Klavierauszug mit separat gedruckter Solostimme unter der Verlagsnummer UE 8339 veröffentlicht, doch erst 40 Jahre später erschien das Werk in Partiturform. Diese postume Veröffentlichung ließ Weills originale Partituranordnung außer Acht, mit der der Komponist der einzigartigen Besetzung Rechnung getragen hatte: Das Soloinstrument erschien im obersten System, die Trompete über den Hörnern und die Fagotte als tiefste Bläser unter den Hörnern (in diesem Punkte ähnlich der Anordnung von Holzbläserquintetten). Die 1965 gedruckte Partitur hingegen versuchte das Konzert einer konventionellen Partituranordnung anzugleichen, obwohl die von Weill gewählte Besetzung dem üblichen Instrumentalkonzert weder in Auswahl noch in Anzahl der Instrumente entspricht. Die 2010 im Rahmen der Kurt Weill Edition vorgelegte kritische Ausgabe (KWE Ser. II, Vol. 2), die Weills Partituranordnung übernimmt, stützte sich im wesentlichen auf das Partiturautograf, doch berücksichtigte sie auch den autografen Klavierauszug, eine Kopistenschrift der Solostimme (die Stefan Frenkel 1925 zum Einstudieren des Werkes benutzt hatte), den publizierten Klavierauszug, ein Widmungsexemplar dieses Klavierauszugs von Weill an Frenkel (das dieser wiederum mit Eintragungen versah) sowie eine Abschrift der Partitur aus dem Jahre 1929 (zu der Weill einige – nicht erhaltene – Kommentare geliefert hatte). Die revidierte Ausgabe des Klavierauszugs ist der kritischen Ausgabe angeglichen.
Die Aufführungsdauer des Werkes wird in alten Unterlagen der Universal Edition mit 33 Minuten angeführt. Diese Angabe geht vermutlich auf Weill selbst zurück, da der Verlag den Komponisten im März 1930 um eine solche Information bat. Die ersten Schallplattenaufnahmen spielten das Konzert etwas schneller, vermutlich um das Werk auf einer Seite einer Langspielplatte unterbringen zu können (deren Spieldauer auf maximal 30 Minuten begrenzt war). Spätere Aufnahmen auf Compact Disc orientierten sich offenbar an diesen schnelleren Tempi, auch wenn es nun keine relevante zeitliche Begrenzung des Tonträgers mehr gab. Vor diesem Hintergrund bildet die 1964 von Hermann Scherchen geleitete Einspielung eine Ausnahme: Anstatt das Werk schneller zu spielen, machte Scherchen einen größeren Strich im dritten Satz, um das Werk auf einer LP-Seite unterbringen zu können. Obwohl die Aufnahme Weills Werk verstümmelt, bewahrt sie etwas von einer anderen Tempogestaltung, die möglicherweise einige Authentizität für sich beanspruchen kann, denn Scherchen hatte das Konzert mit Weill zusammen 1926 in Zürich gehört und es 1929 (mit Frenkel als Solist) selbst aufgeführt.
Der kammerorchestrale Charakter des Weillschen Violinkonzerts, bei dem die Bläser häufig solistisch agieren, bewirkt eine Transparenz bzw. Durchhörbarkeit des Stückes, die ein extrem präzises Zusammenspiel erfordert. Zudem müssen die schärfer konturierten Bläser alle dynamischen Nuancen ausloten, um einen möglichst ausgewogenen Gesamtklang zu erreichen. Der Solopart ist nicht nur im Spieltechnischen anspruchsvoll, sondern auch im Klanglichen (d. h. es gilt, den Part „zum Klingen” zu bringen). Trotz oder gerade wegen dieser Herausforderungen bezeichneten Kritiker schon bei den ersten Aufführungen in den 1920er Jahren die Solostimme als idiomatisch und äußerst dankbar für jeden Solisten. Seither hat sich das Werk als ein „Klassiker der Moderne” in den Konzertsälen der Welt etabliert.
Elmar Juchem
August 2010