
Christian Dimpker
N. 35 Holistic notation study III {Lucid interrogations}
Dauer: 13'
Holistic Notation Study III {Lucid interrogations} ist bei Weitem das einfachste Stück, das ich je geschrieben habe. Es hat mich nur wenige Tage gekostet, die Partitur fertigzustellen. Es wird jedoch meinen Ansprüchen gerecht, da sich das klangliche und visuelle Material durch komplexe, selbst generierte Transformationen ständig wandelt. Für das Stück wird ein verspiegelter Raum innerhalb eines Raumes konstruiert. Dieser Innenraum weist einige Merkmale von Verhörzimmern auf, da zwei Wände des Raumes mit einer hochreflektierenden dielektrischen Beschichtung versehen sind. Sie verhindert, dass die Laserstrahlen durch das Glas dringen. Stattdessen werden sie von allen Wänden, dem Boden und der Decke reflektiert. Wenn aber eine Person durch die dielektrischen Wände in den Raum blickt, kann sie nicht das Laserlicht sehen. Der Innenraum erscheint nur durch die Lichter, die vier selbstfahrende Roboter tragen, erleuchtet. Außerdem kann sie auch nicht die Klänge wahrnehmen, die in diesem Raum erzeugt werden. Dabei sind sie fulminant: Vier Funksender übertragen Reden aus Autokratenprozessen. Sie werden von den Robotern empfangen und über die an ihnen fixierten Lautsprecher wiedergegeben. Diese Reden werden innerhalb des Raumes bereits modifiziert, da Interferenzen erzeugt werden, wenn vier unterschiedliche Radiosender mit derselben Frequenz senden. Im Anschluss daran werden die Autokraten zudem komplett ihrer Stimmen beraubt: Jedes der vier Innenraum-Mikrofone trägt eine andere Effektkette, um die Autkraten sprachlos zu machen. Ihre stark verzerrte Propaganda kann im Anschluss daran über Lautsprecher vernommen werden, die auf dem Dach des Innenraums montiert sind. Ebenso kann das Laserlicht nur gesehen werden, da es innerhalb des Raums abgefilmt und live auf zwei externe Bildschirme übertragen wird. Die Laserbilder werden aus kafkaesken Filmen umgewandelt und das klangliche Material stammt aus den Nürnberger Prozessen sowie drei weiteren ähnlichen Ereignissen. Schließlich ermöglicht die Partitur auch die Erstellung einer quadrophonen Videoinstallation, die unabhängig gezeigt werden kann. Die Arbeit trägt die naive Hoffnung, dass nach zukünftigen Autokratenprozessen freiere Zeiten für die Menschheit anbrechen und Autokratien irgendwann nur noch als Erinnerung an absurde Zeiten existieren werden. Dieses ist die Schwarz-Weiß-Version der Partitur, die Farbversion kann allerdings auf dieser Seite eingesehen werden.