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Georg Friedrich Haas
Poème
Kurz-Instrumentierung: 4 4 4 4 - 6 4 4 1 - Pk(2), Schl(4), Vl.I(18), Vl.II(16), Va(11), Vc(11), Kb(9)
Dauer: 17'
Widmung: for Yasuko
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte (+Picc)
4. Flöte (+Picc)
1. Oboe
2. Oboe
3. Oboe
4. Oboe (+Eh)
1. Klarinette in B
2. Klarinette in B
3. Klarinette in B (+Kl(Es))
4. Klarinette in B (+Bkl(B))
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott
4. Fagott (+Kfg)
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
5. Horn in F
6. Horn in F
1. Trompete in C
2. Trompete in C
3. Trompete in C
4. Trompete in C
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Bassposaune
Tuba
1. Pauken
2. Pauken
Schlagzeug(4)
1., 2. Violine I
3., 4. Violine I
5., 6. Violine I
7., 8. Violine I
9., 10. Violine I
11., 12. Violine I
13., 14. Violine I
15., 16. Violine I
17., 18. Violine I
1., 2. Violine II
3., 4. Violine II
5., 6. Violine II
7., 8. Violine II
9., 10. Violine II
11., 12. Violine II
13., 14. Violine II
15., 16. Violine II
1., 2. Viola
3., 4. Viola
5., 6. Viola
7., 8. Viola
9., 10. Viola
11. Viola
1., 2. Violoncello
3., 4. Violoncello
5., 6. Violoncello
7., 8. Violoncello
9., 10. Violoncello
11. Violoncello
1., 2. Kontrabass
3., 4. Kontrabass
5., 6. Kontrabass
7., 8. Kontrabass
9. Kontrabass
Haas - Poème für großes Orchester
Übersetzung, Abdrucke und mehr
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Georg Friedrich Haas
Haas: PoèmeInstrumentierung: für großes Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)
Musterseiten
Hörbeispiel
Werkeinführung
Ausgangspunkt von Poème für großes Orchester ist die Beziehung zwischen Linie und Klangraum. Eine unbegleitete Melodie der Soloklarinette beginnt mit einem Vierteltonschritt – einerseits traditionell im Gestus einer Kantilene das Stück eröffnend und andererseits gleichzeitig durch den mikrotonalen Intervallschritt auf neu zu erschließende Welten verweisend.
Der Nachhall am Ende der Melodien wird jeweils von anderen Instrumenten des Orchesters übernommen, füllt schließlich den gesamten Tonraum an und gleitet in den Streichinstrumenten erst langsam, dann immer schneller werdend in die Höhe. Die Bläser reiben sich damit in konstant bleibenden Tonhöhen.
Meine in den vorangegangnen Kompositionen etwa seit 1997 erarbeitete Harmonik wird in Poème weiterentwickelt: das vom russischen Komponisten Ivan Wyschnegradsky erfundene Konzept der 'espaces non-octaviantes' (der nicht oktavierenden Klangräume) wurde von mir aufgegriffen, indem ich Akkorde verwende, die den gesamten hör- und spielbaren Tonraum ausfüllen und deren Skelett aus übereinander geschichteten großen Septimen besteht. Diese großen Septimen werden nun annähernd halbiert – es entsteht eine Abfolge aus übereinander geschichteten Quart- und Tritonusintervallen. (Es gibt noch Varianten dieses Akkordes, die ich immer wieder verwendet habe.) Der zweite Klang, der in meiner Musik der letzten Jahren eine zentrale Rolle spielt, ist der Obertonakkord. Hier wurde ich insbesondere von amerikanischen Komponisten beeinflusst: Harry Partch, James Tenney, La Monte Young. Charakteristisch für diese Akkorde ist einerseits die Abweichung von der üblichen temperierten Tonskala (vom Zwölftelton und noch kleineren Intervallen bis zum Viertelton – diese Mikrotöne klingen hier jedoch nicht 'falsch', sondern weich und verschmelzend, da sie direkt von den akustischen Grundlagen der Instrumentalklänge abgeleitet werden können) und andererseits die kontinuierliche Verkleinerung der Intervalle, je höher man sich innerhalb dieses Akkordes hinaufbewegt.
Ich habe in Poème auf die Verwendung des Obertonakkordes in seiner originalen Gestalt verzichtet. Aber das Prinzip der Verkleinerung der Intervalle habe ich übernommen und in den Wyschnegradsky-Akkord hineinprojiziert, indem bei aufsteigender Tonhöhe aus der approximativen Halbierung der großen Septime mit aufsteigender Tonhöhe nacheinander eine Dreiteilung, Vierteilung, Sechsteilung und zuletzt Achtteilung wird.
In formaler Hinsicht ist meine Musik als Wanderung von einem Zustand zum nächsten komponiert. 'Form' im traditionellen Sinn interessiert mich nicht. Was ich erreichen will, ist eine Abfolge von sich ständig verändernden Abschnitten, die in einem durchgehenden Prozess komponiert sind.
Die kantablen Linien verdichten sich und werden chorisch innerhalb der Instrumentengruppen zusammengefasst.
Die melodischen Linien steigen (in parallelen Quinten) unendlich in die Höhe und werden kontrapunktiert durch eine davon unabhängige unendlich fallende Melodie (in parallelen Wyschnegradsky-Akkorden).
Der Prozess gerät ins Stocken und mündet in einen pulsierenden Stillstand.
Am Ende des Stückes erscheinen zarte Wendungen mit Nachklang.
Es gibt keine Reprisen, keine entwickelnde Variation, keinen dialektischen Prozess zwischen zwei kontrastierenden Gestalten, nur ein Dasein von unterschiedlichen klanglichen Zuständen.
Poème ist Yasuko Ueda gewidmet.
Georg Friedrich Haas