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Cristóbal Halffter
Versus
Kurz-Instrumentierung: 4 4 4 4 - 4 4 4 0 - Schl(4), Str
Dauer: 36'
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte
4. Flöte
1. Oboe
2. Oboe
3. Oboe
4. Oboe
1. Klarinette in B
2. Klarinette in B
3. Klarinette in B
4. Klarinette in B
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott
4. Fagott
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in C
2. Trompete in C
3. Trompete in C
4. Trompete in C
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
4. Posaune
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
3. Schlagzeug
4. Schlagzeug
Violine I (16)
Violine II (14)
Viola (12)
Violoncello (10)
Kontrabass (8)
Halffter - Versus für großes Orchester
Gedruckt/Digital
Übersetzung, Abdrucke und mehr
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Cristóbal Halffter
Halffter: VersusInstrumentierung: für großes Orchester
Ausgabeart: Partitur
Hörbeispiel
Werkeinführung
Im Jahre 1497
starb Prinz Juan als einziger männlicher Nachkomme von Ferdinand von Aragonien
und Isabella von Kastilien, die als die Katholischen
Könige in die Geschichte eingegangen sind. Als Folge dieser ehelichen
Verbindung schlossen sich die verschiedenen Königreiche Spaniens zusammen und
bildeten eine einzige Macht. Durch den frühen Tod des Prinzen Juan vollzog sich
die Vereinigung jedoch nicht im Geiste der spanischen Bevölkerung. So sieht
sich denn mein Land noch heute, 500 Jahre danach, vor das gleiche Problem
gestellt, ohne dass in der Frage der Einheit und Verschiedenartigkeit eine
klare Lösung gefunden worden wäre.
Aus Anlass
des tragischen Ereignisses schrieb Juan del Enzina (1469 in Salamanca geboren,
1529 in León gestorben) als einer der bedeutendsten Musiker unter vielen seines
Landes ein Madrigal für vier Stimmen. Darin beklagt er die Gegenwart (1497) und
kündigt schwierige Zeiten an. Dieses wunderschöne Madrigal mit dem Titel Triste Espana sin ventura gehört zum Besten, was die Musik in der Renaissance
hervorgebracht hat. Dann beginnt ein lang anhaltender und kläglicher Verfall,
so als ob der Tod des Prinzen Juan und Juan del Enzinas Werk sich
zusammengefunden hätten, um ein für die Zukunft entscheidendes historisches
Ereignis aufzuzeigen. Der Schöpfer wusste den tragischen Vorfall in Musik
umzusetzen und erkannte die entsprechenden Auswirkungen.
Versus
baut auf diesem Madrigal auf. Versus
entspricht aber auch einer alten Versform, welche verschiedene Refrains
aufweist und als eine Art literarische Vorläuferin des Themas mit Variationen betrachtet werden kann. Was die musikalische
Begleitung betrifft, so stelle ich in meiner Komposition das Thema des
Madrigals als These dar, ziehe in der
Antithese die Folgerungen aus dem,
was die These umgibt, und vereine die beiden Konzepte in der Synthese.
Es wäre zu
umfangreich, hier die rein musikalischen Abläufe zu erklären, auf die ich mich
beim Schreiben des Werkes abgestützt habe. Die Komposition enthält zweifellos
historische, kulturelle, ja sogar ideologische Bezüge, doch gibt sie
schließlich einfach Musik wieder, welche die Schaffung eines Zeitraums in Form
von Tönen bezweckt, die innerhalb dieser Zeit nach eigenen Bedürfnissen
entstehen.
Es würde wohl
wenig nützen, wenn der Zuhörer die Ursprünge und die technischen Abläufe zwar
kennt, die eigentliche Musik aber dessen Aufmerksamkeit und Sensibilität
während der Aufführung nicht hervorzurufen versteht. Selbst wenn sie noch so
weit von meiner eigenen Auffassung entfernt ist, so akzeptiere ich in der Musik
jede Interpretation. Musik kann uns anziehen durch emotionelles oder
empfindungsmässiges Begreifen oder aber durch intellektuelles oder rationales
Denken. Mein Ideal bestünde darin, den Zuhörer auf beiden Ebenen gleichzeitig
zu fesseln. Aber eben weil es einer Idealvorstellung entspricht, ist dieses
Ziel schwerlich zu erreichen, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe, es zu
verfolgen.
Ich widme Versus Xavier Zubiri, dem 1983
verstorbenen, wohl wichtigsten spanischen Philosophen des 20.Jahrhunderts, ohne
dessen menschliches und intellektuelles Vorbild es mir nie möglich gewesen
wäre, dieses Werk oder auch einen Grossteil meiner anderen Kompositionen zu
schaffen. Mein Dank richtet sich auch an die Tonhalle-Gesellschaft Zürich, die
mir die Gelegenheit geboten hat, das Stück zu schreiben. Es ist im Sommer 1983
in Villafranca del Bierzo entstanden, in der Provinz von León also, wo Juan del
Enzina gelebt und die meisten seiner Kompositionen geschrieben hat, wo aber
auch ein anderer spanischer Komponist, der jetzt sein neuestes Werk vorstellt,
sich um die Sorgen seines berühmten Vorgängers kümmert, indem er versucht,
Musik, Kunst und Schönheit im Umfeld der historischen und sozialen
Gegebenheiten seiner Zeit zu schaffen.
Cristóbal
Halffter