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Oscar Jockel
asche ist weiß.
UES108113-000
Ausgabeart: Dirigierpartitur
Format: 297 x 420 mm
Seiten: 18
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Beschreibung
Allgemein:
Klang wird verursacht durch die Schwingung von Luftmolekülen. Dabei wird das Luftmolekül in eine Richtung versetzt, dann in die entgegengesetzte Richtung, bis es nach einer bestimmten Zeit wieder in seine Ausgangslage zurückschwingt. Unser Trommelfell nimmt diese periodischen, zeitlichen Schwingungen wahr. Man könnte also sagen, dass Musik nichts anderes ist als das Wahrnehmen der Zeit.
Wir kennen alle die Erfahrung: wir hören Musik, die uns im Innersten bewegt, und die Zeit scheint stehen zu bleiben. Paradoxerweise löst sich also die Zeit in Zeitlosigkeit auf, sobald wir die Zeit, den Klang wahrnehmen.
Wenn man unter Ewigkeit keine unendliche Zeitdauer versteht, sondern eine Un-Zeitlichkeit oder Zeitlosigkeit, dann lebt derjenige in der Ewigkeit, der die Zeit wahrnimmt.
Die Feststellung “asche ist weiß” deutet auf diese Logik der Zeit, Zeitlosigkeit und Ewigkeit. Dabei ist die Zeitlosigkeit oder das Transzendentale an sich nichts Besonderes. Die reine Erfahrung ist im hier und jetzt. Das hier und jetzt die einzige Realität, die wir haben. Dennoch ist es ziemlich schwierig im hier und jetzt zu sein.
Das Stück versucht durch die Wahrnehmung von Klang dieses Gefühl der Zeitlosigkeit zu erreichen. Versucht man das Gefühl der Zeitlosigkeit festzuhalten, so scheitert man, da man die Zeit nicht festhalten kann. Man kann sie nicht be-greifen, sondern nur wahrnehmen. Dieses Wahrnehmen und zugleich Loslassen der Zeit kann man als unendlichen Kreislauf beschreiben (genauso wie die Zeit selbst wie im Planckschen Wirkungsquantum, das die Zeit als Kreisfrequenz beschreibt, in der Energie und Zeit in minimalen Kreisen / elementaren Wirkungsquanten hin und her schwingt).
Asche ist ein Symbol für die Vergänglichkeit der Zeit. Wie die Asche beinhaltet die Zerstörung und Vergänglichkeit der Dinge immer auch einen Neuanfang, der zu neuer Blüte führt.
Vorliegende Berliner Fassung von asche ist weiß. entstand für ein Konzert in der Berliner Philharmonie mit dem Deutsche-Symphonie Orchester Berlin, das von Deutschlandfunk Kultur geplant wurde. Hierfür wurde die Orchestrierung aufgrund der räumlichen Gegebenheiten etwas angepasst. Während in der ersten Version das Orchester um das Publikum herum verteilt ist, ist hier das Publikum um das Orchester
herum verteilt. Die archaische Klangwirkung des Stückes entfaltet sich also gleichsam wie das stille und zeitlose Betrachten einer Feuerglut, um das das Publikum wie bei einem Lagerfeuer im Kreis drumherum sitzt. Heutzutage gibt es viel Gerede ohne echte Kommunikation. Das Stück versucht echte Kommunikation ohne Gerede entstehen zu lassen. Wie die stumme Dorfversammlung um einen alte Eiche auf dem Marktplatz.
Spezifisch:
Unmittelbar vor diesem Stück stand 4'33'' von John Cage auf dem Programm des Uraufführungskonzertes am 1.1.2023, das direkt in
asche ist weiß. übergeleitet hat.
Das Faszinierende an 4'33'' ist, dass es eigentlich aus 3 Sätzen besteht. Das Stück ist nichts anderes als eine leere Form, die durch zeitliche Grenzen definiert ist, in denen erfüllte Stille entstehen kann.
asche ist weiß. versucht, diese Idee der zeitlosen Stille neu zu interpretieren, indem es nichts anderes als eine leere Form verwendet.
Die Basis des Stückes sind daher die Zahlen 9-0-6, was der doppelten Zeit von 4'33'' entspricht (also 9 Minuten und 06 Sekunden). Die Zahlen 9-0-6 sind selbst kreisförmige Zahlen, da die Form der 9 und 6 punkt-gespiegelt ident sind (9 ist dasselbe wie die Zahl 6, nur auf dem Kopf stehend und umgekehrt).
Der kreisförmigen Idee folgend, besteht auch die intervallische Struktur des gesamten Stücks aus nichts anderem als einer Abfolge von einer None (9) und einer Sext (6): beginnend mit der Note "h" geht es eine kleine None (9) aufwärts zum "c". Dann nach unten (0) eine kleine Sext (6) hinunter zu "e". Dann beginnt der Zyklus wieder von vorne: vom "e" eine None (9) zum "f" und hinunter (0) eine Sext (6) zu "a". etc.
Wenn man dieses Muster fortsetzt, wird man am Ende den gesamten Quintenzirkel durchlaufen, wie ein riesiges Rad der Zeit, das sich langsam von einer Quinte zur nächsten dreht. Oder wie im langsamen Durchschreiten von weißem Licht, das ebenfalls alle chromatischen Farben des Lichts enthält. An der Schnittstelle von 9 zu 6 Teilen des Stücks beginnt der gesamte Zyklus rückwärts zu laufen: jetzt geht es eine None (9) abwärts und eine Sexte (6) aufwärts.
Neben der intervallischen Struktur bezieht sich die 9 und 6 auch auf der großformalen Struktur: Das Verhältnis „9 zu 6“ ist dasselbe wie das Verhältnis von „6 zu 4“ oder von „3 zu 2“ sowie allen Vielfachen davon. Somit sind die ersten 60 Takte in 3 Abschnitte unterteilt (9 + 6 , 15 + 10, 12 + 8 = 60 Takte) und die letzten 40 Takte in 2 Abschnitte (10 + 15 , 6 + 9 = 40 Takte), wobei das Verhältnis von 9 zu 6 sowohl innerhalb der Abschnitte als auch zwischen den Abschnitten selbst beibehalten wird. Alle fünf Abschnitte des Stücks bilden zusammen eine Spiegelfolge (9 + 6 , 15 + 10 , 12 + 8 , 10 + 15 , 6 + 9), die der Idee des Kreises folgend sowohl vorwärts als rückwärts gelesen dieselbe Reihenfolge ergibt.
Das Verhältnis „9 zu 6“ findet sich neben der intervallischen und großformalen Struktur auch in der rhythmischen. Somit ist diese Spiegelfolge auch das rhythmische Fundament des ganzen Stücks: 9 Achtel, gefolgt von 6 Achtel, gefolgt von 15 Achtel, etc. wiederum dem Kreisgedanken auf allen Ebenen folgend. Dieses Verhältnis wird auch beibehalten, wenn man das Vielfache von dieser Spiegelfolge nimmt (die große Trommel spielt anfangs zum Beispiel diese Folge von 9 6 15 10 etc. als 16tel, während andere Instrumente diese Folge beispielsweise überlagernd als Halbe oder Viertel spielen).
Wenn man in die Partitur schaut, sieht man nichts als leere Zahlen und Beziehungen innerhalb von Proportionen auf allen Organisationsebenen der Komposition (große Form, Intervalle, Rhythmus, usw.). Beim Hören der Musik jedoch hört man nicht eine einzige Zahl, sondern eine undefinierte Klangwolke, die sich endlos durch Zeit und Raum bewegt. Das Ziel all dieses scheinbar überladenen intellektuellen Zahlenkrams ist genau das: dass man die Zahlen am Ende nicht hört. Somit ist es auch mein Ziel mich gleichermaßen aus meiner eigenen Komposition wegzukomponieren. Es gibt am Ende keine willkürlichen Entscheidungen, alles ist ableitbar. Ich mache mich während des Komponierens mehr und mehr überflüssig und das einzige, das ewig bleibt, ist das unendlich drehende Rad Zeit. Alles ist in sich geschlossen und entsteht nicht aus etwas Materiellem sondern einem Verhältnis, so wie wir auch alleine Nicht wissen, wer wir sind, und uns erst über das Verhältnis zu allem um uns herum erst finden. In einer Welt der Bläue hat die Farbe Blau keine Bedeutung. Erst in der Begegnung mit einer anderen Farbe, bekommt Blau eine Bedeutung. Paradoxerweise existieren wir also erst, wenn wir aufhören zu existieren und dem Anderen und Fremden wahrhaft begegnen.
Im Übrigen haben Oktopusse drei Herzen.
Bretstein, 8.8.2024
Mehr Informationen
Ausgabeart: Dirigierpartitur
Format: 297 x 420 mm
Seiten: 18