

Cristóbal Halffter
6. Streichquartett
Widmung: In memoriam P.S.-A.S.
Instrumentierungsdetails:
1. Violine
2. Violine
Viola
Violoncello
Halffter - 6. Streichquartett für Streichquartett
Übersetzung, Abdrucke und mehr

Cristóbal Halffter
Halffter: 6. StreichquartettInstrumentierung: für Streichquartett
Ausgabeart: Stimmensatz (Sonderanfertigung)
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Cristóbal Halffter
Halffter: 6. StreichquartettInstrumentierung: für Streichquartett
Ausgabeart: Partitur (Sonderanfertigung)
Werkeinführung
Anscheinend wirkt der von Haydn gesetzte hohe Gattungsanspruch auch heute noch: In einer kürzlich in Hamburg gehaltenen Rede bekannte Cristóbal Halffter, er habe bis heute noch kein richtiges Streichquartett geschrieben - vielleicht später. Eine bescheidene Bemerkung für einen der bedeutendsten spanischen Komponisten unserer Zeit, in dessen Werkverzeichnis immerhin sechs Werke für die klassische Besetzung zwei Violinen, Viola und Violoncello zu finden sind. Nicht alle nennen sich jedoch Streichquartett.
Die Komposition eines neuen Quartettes, so Halffter, richte sich immer an einen bestimmten Menschen. "Con bravura y sentimiento" - "Mit Bravour und Gefühl" nennt sich sein viertes knapp dreiminütiges Quartett, ein Titel, der nicht etwa als Spielanweisung zu verstehen ist, sondern als Charakteristikum des Widmungsträgers Alfred Schlee, des ehemaligen Verlagsleiters der Wiener Universal Edition. Auch das fünfte Quartett "Zeitgestalt" huldigt einer wichtigen Persönlichkeit der modernen Musik, nämlich dem Schweizer Mäzen Paul Sacher. Beide Stücke hatte Halffter den so rastlos Engagierten jeweils zu ihrem 90. Geburtstag gewidmet.
Vielleicht sind Halffter die Erinnerungen an diese beiden Förderer umso teurer, als er selbst im damals isolierten Musikleben Spaniens auf internationale Kontakte und Inspiration von außen angewiesen war. Geboren 1930 in Madrid, aufgewachsen in einer musikliebenden Familie (seine beiden Onkeln Rodolfo und Ernesto waren ebenfalls Komponisten), hatte Halffter während der restriktiven Franco-Zeit kaum Gelegenheit, an die neueste westeuropäische Musik anzuknüpfen. Intensives Partiturstudium und Studienaufenthalte in Paris, Rom und Mailand brachten ihn weiter. In seinem eigenen Land lösten seine Werke, die in der damals aktuellen seriellen Technik geschrieben waren, große Skandale aus - im Ausland brachten sie ihm den Vertrag mit der renommierten Universal Edition, die für ihre Komponisten wie Arnold Schönberg, Karlheinz Stockhausen oder Luciano Berio berühmt war.
Halffter, geprägt von der Diktatur des Franco-Regimes, das Andersdenkende brutal eliminierte, bedeutet Kunst auch die Möglichkeit und Verpflichtung humanistischen Engagements. Er bezieht politisch Stellung und verleiht in seinen Vokalwerken Unterdrückten und den Opfern von Gewalt seine Stimme. So schrieb er beispielsweise im Auftrag der UNO anlässlich des 20. Jahrestages der Proklamation der Menschenrechte die Kantate Yes, speak out, yes.
Dennoch ist Musik für ihn eine abstrakte Sprache, die weniger programmatischen Ideen als ihren eigenen Gesetzen folgt. Das sechste Streichquartett entstand aus dem Wunsch, die beiden kurzen Quartettsätze des 4. und 5. Quartettes zu einem größer dimensionierten Werk zu ergänzen, und ist "eine Huldigung und dem Andenken an zwei unvergessliche Menschen gewidmet, die eine wesentliche Rolle in der Musik des 20. Jahrhunderts spielten; mit beiden hatte ich die Ehre und Freude, befreundet zu sein". Der erste Teil des 6. Quartettes entspricht (leicht modifiziert) dem fünften, Paul Sacher gewidmeten Quartett "Zeitgestalt". Nahtlos, verbunden durch den liegenden Ton d der Viola, schließt sich ein neu komponierter Mittelteil an, eine Brücke der Erinnerung zum 4. Quartett "Con bravura y sentimiento", das hier als eine Art Coda fungiert. Halffters Klangsprache ist faszinierend vielfarbig und virtuos, ein Spiel mit Kontrasten auf engstem Raum, dazu in strenger Polyphonie durchgearbeitet, dazu eine Aufforderung an die Streicher, die klanglichen Möglichkeiten ihrer Instrumente weit über das übliche Maß auszuschöpfen. Aber auch als musikalisches Porträt lässt sich seine Musik zu lesen: Das Quartett beginnt im dreifachen Piano und schlägt nach fünf Takten jäh in eine höchst energiereiche Bewegung im dreifachen Forte um - zwei extrem verschiedene Stimmungslagen. Ja, so war er, der Paul Sacher, meinte Halffter.
© Andrea Zschunke