

Georg Friedrich Haas
Quasi una Tânpûrâ
Kurz-Instrumentierung: 1 0 1 0 - 1 0 1 1 - präpKlav, Schl(2), Vl(3), Va(2), Vc(2), Kb(1)
Dauer: 28'
Instrumentierungsdetails:
Flöte (+Bfl)
Klarinette in B (+Bkl(B))
Horn in F
Posaune
Basstuba
Schlagzeug: 2 Spieler (Vibraphon, Marimbaphon, 2 Peitschen, 2 Kastagnetten, 2 Tom-Toms, 2 kleine Trommeln, Pauken, Holztrommel, Tenortrommel, Ratsche, Celesta, 2 Tempelblocks)
präpariertes Klavier
Violine(3)
Viola(2)
Violoncello(2)
Kontrabass
Haas - Quasi una Tânpûrâ für Kammerorchester
Gedruckt/Digital
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Georg Friedrich Haas
Haas: Quasi una TânpûrâInstrumentierung: für Kammerorchester
Ausgabeart: Partitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
"Die Tânpûrâ dient in erster Linie zur Begleitung indischer Vokalmusik, aber auch bestimmter Saiteninstrumente. Ihre vier Stahl- und Kupfersaiten werden nacheinander gespielt und geben den Grundton und dessen Oktave sowie die Quinte und ihre Oktave an. Der Steg ist flach und derart gebogen, daß er starke Obertöne ergibt, von denen einige bisweilen sogar stärker sind als der Grundton der Saite. Ein zwischen den Saiten und dem Steg befindlicher Seidenfaden verstärkt die unbestimmte Klangfarbe, die an das Geräusch eines Bienenschwarmes erinnert. Das Instrument hat keinerlei melodische Funktion und gibt lediglich eine Art Grundakkord. Angeblich leitet sich der Name des Instruments von der alten 'Tumburu Vinâ' ab; wahrscheinlicher ist es jedoch, daß ihm die alte Bedeutung des Wortes 'tâna', d. h. 'Ton', zugrunde liegt. Tatsächlich handelt es sich um ein Instrument, das den Ton angibt."
Alain Danielou: Einführung in die indische Musik
Wilhelmshaven, Amsterdam, Locarno. 1975. S.104f.
Quasi una tânpûrâ beginnt mit einem Nachklang, als wäre mit elektronischen Mitteln aus dem diffusen Geräusch des Anfangsapplauses (oder aus dem obertonreichen 'Grundton' der Tânpûrâ?) ein Akkord herausgefiltert worden. Mehrere Minuten später, nach einem zunächst unendlich langsamen, dann sich allmählich etwas beschleunigenden 'freien Fall', hat sich daraus ein aus den ersten sieben Teiltönen gebildeter Obertonakkord gebildet, der die Idee des von der Tânpûrâ gespielten 'Grundtones' reflektiert. (Da ich - im Gegensatz zu den meisten anderen meiner Arbeiten - in Quasi una tânpûrâ auf die Verwendung von Mikrointervallen bewußt verzichtet habe, könnte dieser Klang auch - quasi ein Zitat 'tonaler' Musik - als ein mit einer langen Fermate versehener Dominantseptakkord in weiter Lage verstanden werden.)
Wenn dieser Prozeß wiederholt wird, haben sich Ausgangs- und Endpunkt jedes Mal verändert, frühere 'Grundtöne der Tânpûrâ' werden allenfalls als unerreichbar entfernte Störfaktoren wirksam, wobei die Zeiträume, in denen sich diese Tonhöhenverläufe entwickeln können, im Laufe des Stückes immer enger werden.
(Für den Hörer werden diese Tonhöhen/Zeitstrukturen nicht immer unmittelbar nachvollziehbar sein: Einerseits werden - vor allem im Anfangsteil - weitere Schichten hinzugefügt, andrerseits können diese Strukturen durch Weglassungen - oft bleibt nur mehr ein Zweiklang oder ein Einzelton übrig - auf ein unkenntlich im Hintergrund bleibendes Konstruktionsprinzip reduziert werden. Zudem legt die konkrete musikalische Ausgestaltung formale Beziehungen jenseits dieser Tonhöhen/Zeitstrukturen fest.)
Die Identität von Anfangs- und Schlußklang des Stückes ist eine scheinbare: ein Gewaltakt, der über den irreversiblen Prozeß des Stückes gelegt wird und der gerade dadurch jede Hoffnung, an einen Ausgangspunkt wieder zurückkehren zu können, als Illusion demaskiert, denn diesem - letzten - Nachklang ist jede Möglichkeit abhanden gekommen, in einen 'Grundakkord' (als ob es einen solchen jemals gegeben hätte!) zu fallen.
Georg Friedrich Haas