

Georg Friedrich Haas
Tetraedrite
Kurz-Instrumentierung: 3 3 3 3 - 5 4 3 1 - Pk, Schl(2), Str (10 10 8 6 4)
Dauer: 14'
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte
1. Oboe
2. Oboe
Englischhorn
1. Klarinette in B
2. Klarinette in B
Bassklarinette in B (+kleine Klarinette in Es)
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott (+Kontraforte)
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
5. Horn in F
1. Trompete in C
2. Trompete in C
3. Trompete in C
4. Trompete in C
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Tuba
Pauken
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
Violine I (10)
Violine II (10)
Viola (8)
Violoncello (6)
Kontrabass (4)
Haas - Tetraedrite für Orchester
Gedruckt/Digital
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Georg Friedrich Haas
Haas: TetraedriteInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)

Georg Friedrich Haas
Haas: TetraedriteInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Dirigierpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
„Die Silbererze, die in Schwaz abgebaut wurden, waren Tetraedrite. Insofern ist der Titel eine Hommage an den Uraufführungsort.“ – Georg Friedrich Haas über die Suche nach einem Titel für sein neues Stück für Orchester: „Der Normalfall ist, dass ich rein abstrakt zuerst eine musikalische Idee habe. Wenn das Stück geschrieben ist, beginnt das Schwierigste: die Suche nach einem Titel. Im Zuge meiner Recherchen habe ich zu meiner großen Überraschung festgestellt, dass Schwaz im ausgehenden Mittelalter ein Zentrum der europäischen Silberproduktion gewesen ist – vielleicht könnte man das heute mit den Ölfeldern in der Nordsee oder im Nahen Osten vergleichen. Ich habe eine sehr schöne Parallele zu meinem Stück entdeckt, nämlich, dass das Silbererz etwas ist, das in dem Erz, welches das Hauptmineral bildet, nur als Nebeneffekt, als Verschmutzung enthalten ist.“
Das Fragment eines Hornkonzerts – der Entwurf eines Rondos – aus der Feder von Wolfgang Amadeus Mozart, begonnen 1791, nie vollendet, ist in dieser Komposition von Haas versteckt. „Bei Schubert gibt es Fragmente, die abgebrochen werden mussten, weil er die Wagner-Harmonik nicht kannte oder Schönberg nicht studiert hatte. Es fehlten ihm die Mittel, um das, was in seiner Musik angerissen war, zu vollenden“, sagt Haas über die Faszination des Fragmentarischen: „Bei Mozart ist es anders. Offensichtlich hatte er das Wesentliche in seinem Kopf, und es war ein Zeitproblem, alles aufzuschreiben. Ich habe ein starkes Bild vor Augen, ein heftiges Bild: abgetriebene Föten oder Frühgeburten. Ein Leben, das ein Leben hätte werden können, es aber nicht durfte. Das Hornkonzert fängt so unglaublich genial an – mit einem Akkord in D-Dur. Und Mozart setzt den D-Dur-Akkord so, als wären es die Töne 1, 2, 3, 5, 6 des Obertonakkords.“ Den Versuch, dieses vielleicht visionäre Werk zu vollenden, unternahm Franz Xaver Süßmayr, in dessen Instrumentation Mozarts frappierender harmonischer Effekt verloren ging. Ein „erstorbener Klang“, so Haas, da das Fragment zu kurz sei, um aufgeführt zu werden, und: „eine erstaunliche Parallele zu meiner eigenen Klangsprache.“
Haas konzentrierte sich in Tetraedrite auf ein Detail – einen Obertonakkord, der ihn faszinierte: „Das Mozartsche Zitat kommt bei mir in vier verschiedenen Geschwindigkeiten gleichzeitig vor“, führt Haas aus: „das heißt, dass der Obertonakkord sehr häufig vorkommt, und durch die gleichzeitige Überlagerung ist sowohl der Obertonakkord als auch die Dominante zu hören. Quasi als Verschmutzung! Am Ende ergibt sich sogar ein Halbtoncluster im Bass – d und cis. Das irritiert natürlich, und damit spiele ich.“ Tetraedrite beginnt jedoch zunächst als Klangstudie mit einem ausgehaltenen Unisono-Klang aller Instrumente – Streicher und Bläser. Die Streicher vibrieren auf ihren Instrumenten. Dieses Unisono wird stufenlos mit Mikrotönen angereichert. Unschärfe. Eine Klangwolke. Verschwimmen und Aufklaren. Plötzlich etwas scheinbar Vertrautes: das Fragment von Mozart, KV 412 – „so wie das Silbererz in dem Tetraedrit verborgen.“ Mehr verrät der Komponist nicht: „Ob dieser Obertonakkord Heimatgefühle bringt, weil es eine Konsonanz ist, und alle ganz glücklich darüber sind, oder ob es etwas Schreckliches ist, ein Akkord, der wie ein Stachel im Fleisch steckt, möchte ich offen lassen. Das muss jeder Hörer für sich selbst herausfinden.“
© Klangspuren Programmbuch / Wiebke Matyschok