

Vykintas Baltakas
Poussla
Kurz-Instrumentierung: Orch.: 2 2 3 3 - 4 2 2 1 - Schl(3), Vl(16), Va(10), Vc(10), Kb(10); Ens.: Ob, Kl(Es), Ssax(B), Solo-Vl, Akk, Klav, Tb.
Dauer: 20'
Widmung: für Harry Vogt und Peter Eötvös, die das Entstehen des Stückes angeregt haben
Instrumentierungsdetails:
Orchester: 1. Flöte
2. Flöte
1. Oboe
2. Oboe
1. Klarinette in B (+Kl(Es))
2. Klarinette in B
Bassklarinette in B
1. Fagott
2. Fagott
Kontrafagott
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in B
2. Trompete in B
1. Posaune
2. Posaune
Tuba
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
3. Schlagzeug
Violine(16)
Viola(10)
Violoncello(10)
Kontrabass(10)
Ensemble: Oboe, Kleine Klarinette in Es, Sopransaxophon in B, Solo-Violine, Akkordeon, Klavier, Tuba
Baltakas - Poussla für Ensemble und Orchester
Gedruckt/Digital
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Vykintas Baltakas
Baltakas: PousslaInstrumentierung: für Ensemble und Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)

Vykintas Baltakas
Baltakas: PousslaInstrumentierung: für Ensemble und Orchester
Ausgabeart: Dirigierpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Der Ausgangspunkt für das Orchesterstück war das
Ensemblewerk Pusline. Pusline nennt
man ein litauisches Streichinstrument mit einer Tierblase als Resonanzkörper,
das ziemlich scharf klingt. Poussla könnte man als Großform von Pusline
verstehen, würde man das nicht im Litauischen Pusla schreiben. So handelt es
sich bei dem Wort Poussla um ein
Kunstwort, ein Wortspiel, das keiner bestimmten Sprache angehört. Darin sind
alle möglichen Bedeutungen von „pusten”, „pousser” (franz.), „Blase”, „blasen”,
stoßen, drängen, an/voran-treiben usw. enthalten. Vor allem aber assoziiere ich
mit Poussla eine spezifische Direktheit im Ausdruck.
In
Pusline habe ich versucht, eine nicht
lineare Dramaturgie zu bilden. Ein Energiefeld, das in jedem Augenblick präsent
ist, sich ständig dreht und immer wieder neue Hörperspektiven bietet. Ein
schwingendes Objekt hat seine eigenen Bewegungsgesetze: Sein Ausschlag kann
größer oder kleiner sein, es kann sich schneller oder langsamer bewegen, zu
einem Stillstand kommen, sich wieder einschwingen oder andere Schwingungen in
Gang setzen. Solche Verhaltensweisen sind der physikalischen Struktur eines
Klanges sehr ähnlich: seinem Aufbau aus mehreren Teiltönen, die für sich
schwingen, jedoch in bestimmten Proportionen zueinander stehen. Ein Klang ist
wie ein großes Rad mit vielen kleinen Rädchen im Getriebe. Der Sinn des
Schwingens hat kein Ziel – der Sinn des Schwingens ist das Schwingen selbst.
Dieser Gedanke bildet eine Grundlage nicht-linearer Struktur. Jedoch ist die
Komposition Poussla keine
Illustration dieses Vorgangs. Ich weiß auch gar nicht, ob diese Assoziation
überhaupt das Wesentliche dieses Stückes trifft. So ein Bild kann für einen
Komponisten ein Denkmodus bedeuten. Das heißt jedoch nicht, dass die
entstandene Musik tatsächlich mit solchen Ideen identisch ist oder gar damit zu
tun hat. Die Musik ist ein lebendiges Wesen, ein lebendiger Organismus, hat
einen eigenen Willen und der Komponist hat nicht die alleinige Macht, dieses
Wesen vollständig zu kontrollieren. Er kann es beeinflussen, anstoßen, ihm
Richtungen geben, Entscheidungen treffen. Das Komponieren ist dabei eher ein
Zusammenspiel zwischen dem Komponisten und dem Organismus Musik selbst. Man
gibt Impulse, aber man bekommt von der Musik auch Impulse zurück, die man dann wieder
verarbeitet und die dann wieder zurückschwingen.
Daher
bin ich sehr skeptisch Versuchen gegenüber, die Musik mit Worten zu
beschreiben. Sehr viele Hörer sind geradezu besessen vom „Verstehen”. Damit ist
ein rationales, verbal orientiertes („logisches”) Denken gemeint. Jeder
Komponist ist immer wieder gezwungen, erklärende Texte zu schreiben. Eine
Tradition, die aus der Rationalismus-Utopie der 50er und 60er Jahre kommt und
in der sich eine Art Produktionsroutine transformiert hat. Das ist meiner
Meinung nach sinnlos, denn man „versteht” die Musik nicht besser, wenn man die
Struktur oder irgendwelche Details kennt. Auch die Entstehungsgeschichte der
Werke sagt nichts über die Musik: Das ist so, als ob man glauben würde, dass
man durch die Beschreibung von Butter dem Wesen von Brot näher käme, da beide
offensichtlich in einem „Butterbrot-Verhältnis” stehen. Sie lächeln, nicht
wahr? Aber so empfinde ich es, wenn ich meine Musik beschreiben soll. Ein
Ausweg aus dieser Situation ist für mich zu sagen: „Klar, mach ich, aber erst
beschreiben Sie mir bitte die Farbe ‚Grün‘. Das ist für mich notwendig.” Damit
endet die Konversation und man fängt an, über etwas Anderes zu sprechen.
Man
sollte sich darüber im Klaren sein, dass es verschiedene Arten des „Verstehens”
gibt. Die Musik ist ein anderes Medium, sie wirkt auf einer anderen (nicht
logisch-verbalen) Ebene. Die Musik ist nur anwesend, wenn sie erklingt: Sie
existiert nicht im Denken, das der Musik vorausgeht, nicht in der Beschreibung
ihrer Charakteristika, in der Kritik und der Analyse. Sie ist nicht einmal in
der Partitur, dort stehen nur „Aufführungsinstruktionen”. Man kann über die
Musik nur im Medium der Musik selbst „denken”. Ein Klang lässt sich nur mit
einem anderen Klang beschreiben. Und man kann nur einen Klang und nicht die
Beschreibung eines Klanges erinnern. In diesem Fall erinnert man sich an die
Beschreibung, jedoch nicht an den Klang. Man kann die Musik nur mit Hilfe der
Musik selbst, also von innen heraus „verstehen”.
Und
jeder Versuch, sich der Musik auf der Ebene der Sprache anzunähern, erlischt
hoffnungslos, noch bevor man überhaupt anfängt. Es entsteht eine Fiktion von
„Musik”. Sehr oft führt das Reden über Musik zu extrem komplexen Texten, die
sehr wenige nur lesen können und die auch kein Mehr an Erfolg bringen. Und der
Glaube, mit Worten irgendetwas ausgedrückt zu haben, ist nichts anders als eine
Selbsttäuschung oder vielleicht ein Hilfeschrei von jemanden, der tatsächlich
keinen Zugang zur Musik hat. Ich will diesen Weg nicht gehen. Ich gehe nicht
davon aus, dass der Zuhörer das Werk erst dann empfinden kann, wenn er sich
darüber informiert hat. Nein, der Zuhörer muss nichts wissen! Er muss nur eine
innere Offenheit für den Klang haben, für das Unbekannte, für etwas, das man
vielleicht mit gewöhnlichen Begriffen einfangen kann. Er muss auch keine Angst
haben, dass etwas auf ihn zukommt, das seine weltanschaulichen Prinzipien
destabilisiert oder sich für ihn unbequem anfühlen könnte. Er muss sich
entscheiden und in die Welt des Klanges eintauchen!
Vykintas
Baltakas