

Wolfgang Rihm
Transitus
Kurz-Instrumentierung: 3 3 3 3 - 4 3 3 1 - Pk, Schl(2), Hf, Str
Dauer: 15'
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte
1. Oboe
2. Oboe
Englischhorn
1. Klarinette in A
2. Klarinette in A
Bassklarinette in B
1. Fagott
2. Fagott
Kontrafagott
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in C
2. Trompete in C
3. Trompete in C
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Basstuba
Pauken
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
Harfe
Violine I
Violine II
Viola
Violoncello
Kontrabass
Rihm - Transitus für Orchester
Gedruckt/Digital
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Wolfgang Rihm
Rihm: TransitusInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)

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Werkeinführung
Wolfgang Rihm über Richard Strauss und Transitus
Richard Strauss hängt man gerne das Etikett des „Konservativen“ um. Wie gehen Sie damit um?
Womit soll ich umgehen? Mit dem Etikett? Dass man es Strauss umhängt oder gelegentlich auch mir? In beiden Fällen kommt es darauf an, wer dieses Etikett verleiht; erst dann weiß man, was gemeint ist. Was könnte denn gemeint sein? Konservativ könnte eine Haltung sein, die heute immer noch in Avantgarde-Kategorien denkt. So gesehen bin ich natürlich nicht konservativ. Schade eigentlich, denn die Avantgarde ist mein Nährboden gewesen. Aber meist wird die Bezeichnung konservativ auf jemanden angewandt, der nicht bewusstlos im Strom der modischen Tagesaktualitäten mittreibt. So gesehen kann man mich mit Fug und Recht einen Konservativen nennen. Und Strauss? Fragen Sie ihn selbst. Er lebt noch. In einem Seniorenheim in Darmstadt. Täglich joggt er über den dortigen Friedhof…
Als Komponist wird man heute noch gerne als konservativ bezeichnet, wenn man sich auf Strauss‘ Virtuosität als Orchestrator bezieht.
Deswegen beziehe ich mich auch nie auf diesen oberflächlichen Aspekt der Partituren. Virtuosität ist kein Wert an sich. Jeder Musterschüler kann virtuos sein. Worauf es ankommt: welche und wieviel Energie wird bewegt! Es gibt so viele virtuose Musik, die auf der Stelle tritt. Nichts bewegt sich, aber alles wackelt, fuchtelt, glitzert. Musik ist aber Energieweitergabe. Erst durch ihre energetische Ladung und deren Strömen entscheidet sich die Qualität eines Musikwerkes. In seinen besten Momenten gibt es bei Strauss einen unvergleichlichen Sog des unablässigen Fließens.
Worin zeigt sich diese Virtuosität für Sie?
Vorausgesetzt es geht nun doch um die äußere Schicht genuin virtuosen Klanggeschehens: dies ist immer gekennzeichnet durch Transparenz, Luftigkeit, Durchlüftetheit, Raum zwischen den Partikeln. Strauss‘ Partituren sind nie verstopft oder gar fett. Selbst bei größter dynamischer Aufwendung der Mittel haben die beteiligten Kräfte immer Bewegungsraum genug für die kleinen Entfaltungen des Moments. Alles ist wunderbar vernehmbar, selbst „Klangwände“, scheinbar undurchdringliche Flächen erlauben dem Ohr die Wahrnehmung akustischen Lichtes am Ende des Tunnels. Das ist für mich das Zeichen wirklicher Virtuosität.
War Strauss ein Endpunkt?
Das weiß ich nicht. Was ist überhaupt ein „Endpunkt“? Das ist doch eine Denkfigur, denn es gibt – außer dem finalen schwarzen Loch – nur Bewegung, Durchgang, Weg und Fluss. In jedem ist die Möglichkeit angelegt, an scheinbar zu Ende gezogener Linie weiter zu zeichnen.
Wird Strauss nicht in seiner Modernität oft verkannt?
Das kann schon sein. Ist aber egal. Außerdem ist es nicht fruchtbar, frühere Kunst-Phasen nach ihrer Kompatibilität mit sogenannter Moderne abzusuchen. Nur weil etwas zufällig für uns heute (am 3. März 2014, um 17 Uhr 58) von Interesse ist, ist es doch nicht das Ziel einer bewusst gestalteten Entwicklung. Wir hätten das gerne so, weil es uns mit Sinn und Bedeutung auflädt und uns für den Augenblick die Illusion gewährt, in unserem Tun vorausgeahnt worden zu sein.
Welchen Bezug stellt Transitus zu Strauss her?
Höchstens einige indirekte Bezugsmöglichkeiten. Energie-Weitergabe, wie schon erwähnt, Bewegungs-Strom, Durchgang als Bild für menschliches Existieren, vielleicht etwas von der „Tod und Verklärungs“-Problematik, nur ohne „Verklärung“, und natürlich ohne den „Tod“ als Bühnenfigur. Ein Stück zu schreiben, das sich von selbst ergibt. Immer wieder versuche ich es. Eines wächst aus dem anderen, alle Ereignisse führen weiter in jene Unabschließbarkeit, die das Grundrauschen jeder Musik ist: zwar ist Musik in der Zeit, aber sie gehört nicht der Zeit, sie ist die menschenmögliche Flucht aus der Bedingtheit. Eine Flucht, die natürlich immer scheitert. Ja?
(Universal Edition AG, am 3. März 2014)